Rezension Inc Arcanum von Andreas Hagemann
Bilder aus Tinte, für die Ewigkeit unter die Haut gebannt.
Der Tätowierer William Bray erfüllt sich in seinem bescheidenen Tattoo Parlour einen Lebenstraum und bannt meisterhafte Motive auf die Haut seiner Kunden. Als er in einem Antiquariat auf ein Buch stößt, von dem er sich tieferes Fachwissen und neue Techniken verspricht, wird sein Verständnis der Tintenkunst auf den Kopf gestellt. Bei einem Selbstversuch mit den abstrakt anmutenden Motiven möchte er es genau wissen und stößt damit nichts ahnend eine Kette von Ereignissen an, die Trauer, Leid und aggressive Wesenheiten mit sich bringt. Dabei lauert die wahre Gefahr tief verborgen in den Seiten des Ink Arcanum.
Wer den Beitrag zur Frankfurter Buchmesse gelesen hat, der weiß, wie ich zu diesem Buch gekommen bin. Noch am gleichen Tag beginne ich zu lesen. Da ich selbst einige Tattoos habe, bin ich mehr als gespannt. Schnell finde ich mich mit diesem Schreibstil zurecht – ein gutes Zeichen, wenn ich Seiten flüssig lesen kann und nicht immer aufgrund von Verständnisfragen zurückmuss.
Die bildhafte Sprache gefällt mir. Seine Beschreibungen werden in meinem Kopf zur Realität – will das nicht jeder Autor schaffen? Ich sehe die Szenen vor mir, spüre den Nebel auf der Haut, rieche den Staub der Straßen, höre die Stimmen, das Rascheln der Kleidung, das Flüstern zwischen den Zeilen. Es sind diese Momente, in denen man als Leser:in aufhört, Buchstaben zu lesen, und stattdessen Bilder sieht.
Zudem baut sich der Spannungsbogen so auf, dass ich abends im Hotel im Bett liege und kaum die Augen offen halten kann. Als ich das Buch sorgsam zur Seite lege, denke ich darüber nach, am nächsten Morgen eine Stunde früher aufzustehen, um dann direkt weiterlesen zu können. Ich glaube, das sagt mehr über die Qualität eines Buches aus als jede ausgeklügelte Rezension.
Wenn Worte Bilder malen
Eine wundervolle Mischung aus Spannung und Unterhaltung mit Witz und Charme – ja, so würde ich es wohl beschreiben. Der Ort, oder sagen wir besser: alle Orte der Handlung ziehen mich in ihren Bann. Ich liebe Bücher, die nicht nur eine Geschichte erzählen, sondern gleichzeitig eine Welt öffnen. Und genau das ist hier der Fall.
Die Charaktere wachsen mit jeder Seite. Es sind keine Figuren aus Papier, sondern Menschen mit Ecken und Kanten, Zweifeln, Träumen und kleinen Eigenheiten. Sie erinnern mich unterbewusst daran, dass es eben nicht nur schwarz oder weiß gibt – auch nicht im menschlichen Miteinander. Wir alle tragen Licht und Schatten in uns, und gute Literatur schafft es, genau das spürbar zu machen.
Es geht in diesem Buch zwar nicht um Drachen, das mindert den Lesespaß aber in keiner Weise. Mysteriös, aber nicht zu phantastisch. Spannend, aber nicht überzogen. Genau in dieser Balance liegt für mich die Kunst. Es ist, als würde man auf einer Brücke stehen – zwischen Realität und Fantasie – und der Wind erzählt einem Geschichten aus beiden Welten.
Über Geschichten, die bleiben
Ich lese viel. Beruflich, privat, aus Neugier und Leidenschaft. Doch nicht jedes Buch bleibt. Manche begleiten einen für ein paar Stunden, andere für ein paar Tage – und nur einige wenige schleichen sich in das eigene Denken ein, hinterlassen Spuren, tauchen Wochen später in einem Gedanken oder Gespräch wieder auf. Dieses Buch gehört zur letzten Kategorie.
Vielleicht liegt es daran, dass es eine gewisse Ehrlichkeit in sich trägt. Eine, die nicht laut ist, sondern leise wirkt. Eine, die sich nicht beweisen will, sondern einfach da ist. In einer Zeit, in der viele Geschichten nach Aufmerksamkeit schreien, ist das erfrischend anders. Ich ertappe mich dabei, wie ich beim Lesen oft innehalte – nicht, weil ich etwas nicht verstehe, sondern weil ich etwas fühle. Und das ist, finde ich, der größte Unterschied zwischen Unterhaltung und Literatur: Wenn Worte plötzlich zu Spiegeln werden, in denen man sich selbst entdeckt.
Begegnungen, die inspirieren
Dass ich den Autor auf der Buchmesse persönlich treffen durfte, war das Tüpfelchen auf dem i. Es ist immer ein besonderer Moment, den Menschen hinter einer Geschichte kennenzulernen – die Stimme, die den Klang der Zeilen trägt, den Blick, aus dem die Figuren geboren wurden.
Wir sprechen nur kurz, aber etwas bleibt hängen: die Leidenschaft, mit der er über seine Bücher spricht, die leuchtenden Augen, wenn er von seinen Ideen erzählt. Diese Begegnung erinnert mich daran, warum ich selbst schreibe. Weil Geschichten Brücken bauen. Zwischen Menschen, Welten, Erfahrungen. Vielleicht war es auch dieser Moment, der mich beim Lesen so tief berührt hat. Weil ich spüre, dass hier jemand wirklich lebt, was er schreibt. Es sind nicht nur gut gesetzte Worte, sondern gelebte Gedanken.
Der Zauber des Geschriebenen
Am nächsten Tag lese ich also fertig und halte das Buch noch etwas in den Händen. Ich mag diesen Moment nach dem letzten Satz. Dieses kurze Schweigen, wenn das Herz noch in der Geschichte hängt, aber der Verstand schon wieder weiß, dass es vorbei ist.
Wieder einen Leseschatz entdeckt – und dieses Mal sogar den Autor kennengelernt. Jackpot, würde ich sagen!
Ich blättere durch die letzten Seiten, streiche mit dem Daumen über das Cover und denke darüber nach, wie viele Menschen an einem Buch beteiligt sind. Nicht nur der Autor, sondern auch jene, die lesen, fühlen, weiterempfehlen. Ein Buch lebt erst wirklich, wenn es geteilt wird.
Über den Wert des Lesens
Vielleicht bin ich altmodisch, aber ich liebe gedruckte Bücher. Das Rascheln der Seiten, der Geruch von Papier, die Art, wie Licht auf eine Seite fällt. E-Reader sind praktisch, keine Frage. Doch wenn ich ein Buch wirklich liebe, will ich es halten. Und ja, ich gebe es zu: Ich bin empfänglich für schöne Ausgaben. Leinen, Prägung, besonderes Papier – all das spricht mein Herz an. Bei diesem Buch hat die Sonderausgabe tatsächlich ihr Übriges getan. Nicht, weil sie luxuriös ist, sondern weil sie mit Liebe gestaltet wurde. Man sieht, dass hier jemand an die Leser gedacht hat.
Ich erinnere mich noch an das Gefühl, als ich es auf der Messe das erste Mal in den Händen hielt. Zwischen all den Hochglanzständen, dem Stimmengewirr, den grellen Lichtern – und dann dieses Buch. Es war, als würde es still werden. Und vielleicht ist das die wahre Kunst: in der Stille aufzufallen.
Gedanken über Geschichten und Menschen
Was mich an diesem Buch – und an guten Geschichten generell – so fasziniert, ist die Art, wie sie Menschen miteinander verbindet. Ich habe schon oft erlebt, dass ich mit völlig Fremden über Bücher ins Gespräch komme. Eine geteilte Begeisterung, eine kleine Szene, die uns beide berührt hat – und plötzlich entsteht Verbindung.
Vielleicht ist das Lesen deshalb nie nur ein Zeitvertreib. Es ist ein stilles Gespräch. Zwischen der Seele des Autors und der des Lesers. Zwischen Fantasie und Realität. Zwischen Frage und Antwort.
Dieses Buch hat mich daran erinnert, wie sehr ich diese stillen Gespräche liebe. Wie sie mich inspirieren, selbst wieder zu schreiben, zu träumen, zu erschaffen. Und vielleicht ist genau das das größte Geschenk, das ein Buch machen kann: Es weckt die eigene Kreativität.
Fazit: Ein Schatz im Büchermeer
Ungeachtet der schicken Sonderausgabe (siehe Bilder) und der Widmung kann ich dieses Buch wirklich weiterempfehlen. Es hat mich unterhalten, berührt, inspiriert und zum Nachdenken gebracht – alles auf einmal. Ich freue mich jetzt schon auf die anderen Werke, die ich mir von ihm mitgenommen habe. Es fühlt sich an, als hätte ich nicht nur ein Buch gekauft, sondern eine Tür geöffnet.
In diesem Sinne: Viel Spaß beim Eintauchen in diese Geschichte – und natürlich auch herzliche Grüße an Andreas! Gerne verlinke ich hier die Seite, die zu seinem Buch führt.
Nachklang
Vielleicht ist das Schönste an solchen Leseerlebnissen, dass sie sich nicht ankündigen. Man weiß nie, welches Buch einem zufällt, an welchem Stand man stehenbleibt, welcher Titel einem aus dem Regal entgegenleuchtet. Aber manchmal ist genau das der Moment, in dem etwas Neues beginnt – ein Gedanke, eine Inspiration, eine Erinnerung.
So war es für mich auf der Buchmesse. Zwischen hunderten Büchern, Stimmen und Begegnungen hat sich eine Geschichte ihren Weg in mein Herz gefunden. Und das, finde ich, ist das größte Kompliment, das man einem Buch machen kann.